Pride
Tier und Queer
Sexualität muss nicht an Geschlechtergrenzen haltmachen. Das wissen Tiere mindestens genauso gut wie wir Menschen. Sie gehen damit nur sehr viel entspannter um.

Es war der griechischische Universalgelehrte Aristoteles, der um 350 vor Christus zum ersten Mal davon Notiz nahm und sich dachte: Moment, das ist jetzt interessant. Er hatte Tauben, Rebhühner und Wachteln beim Sex beobachtet und festgestellt, dass da nicht immer nur die Männchen mit den Weibchen zugange waren. Als aufgeschlossener Grieche erschien ihm das moralisch nicht verwerflich, im Gegenteil, aber interessant war es schon: Ging es also auch bei Tieren in Sachen Sex nicht immer nur um die Fortpflanzung?
Es gibt sehr wenig Forschung und Studienmaterial zu gleichgeschechtlichen Paarungen im Tierreich. Rein evolutionsbiologisch gesehen sind sie für die Forscher:innen ein ziemliches Rätsel, ein sogenanntes „Darwinsches Paradoxon“, denn ganz offensichtlich dienen sie ja nicht dem Erhalt der Gattung. Aber warum gibt es sie dann? Manche Forscher:innen meinen, dass es dabei oft um ein Dominanzverhalten geht oder auch um eine Festlegung der Rangordnung in einem Rudel. Wieder andere glauben, dass gleichgeschlechtliche Paarung ein Frustrationsverhalten wäre, weil zu wenig Weibchen verfügbar wären. Aber all das sind Binsenweisheiten, die keine:r der Forscher:innen bislang abschließend beantworten konnte. Vor allem, weil es ja auch um die Frage geht, ob sich Tiere auch aus einem anderen Grund als dem Zeugen von Nachkommen miteinander paaren. Das Einzige, was man bisher herausfinden konnte, ist Folgendes: Gleichgeschlechtliche Interaktionen sind unter Tieren ganz normal.
Bei mehr als 1.500 Arten sind bisher homosexuelle Aktivitäten festgestellt worden, bei manchen Arten sind bis zu 20 Prozent der männlichen Tiere homosexuell, und es gibt dabei, wie bei den Menschen, alle erdenklichen Spielarten: Lebenslange Partnerschaften unter den Männchen gibt es genauso wie One-Night-Stands aus Jux und Tollerei. Manche Tiere sind für eine Saison liiert, andere wieder nur für die Aufzucht von Jungen, denn ja, auch das gibt es – Graugans-Männchen ziehen zum Beispiel gerne Nachwuchs auf, den sie von einer Art Leihmutter legen lassen.
Bislang wurden von Wissenschaftler:innen mehrheitlich männliche Paarungen beobachtet, weibliche gibt es auch, sie sind aber seltener, nur bei den Säugetieren ist das ein bisschen anders: Hier wurden bei 261 Arten gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten festgestellt, bei immerhin 52 Prozent davon gibt es sowohl männliche als auch weibliche Paare.
Fast noch häufiger gibt es übrigens bisexuelles Verhalten, und zwar sowohl bei jungen Tieren, die quasi mit gleichaltrigen Artgenoss:innen mal herumprobieren, bis sie in die große weite Welt des Zeugungsakts vorstoßen, als auch bei älteren Tieren. Spannend ist das übrigens bei Pinguinen: Die sind gerne über mehrere Jahre in männlichen gleichgeschlechtlichen Paarungen unterwegs, bis einer den anderen verlässt – für ein jüngeres, paarungsbereites Weibchen.

Hausschaf
Ich bin schwul und das ist gut so
Bis zu zehn Prozent einer Schafherde sind homosexuell, und sie bleiben das ein Leben lang. Also ganz egal, wie groß die Herde ist, ganz egal, wie viele weibliche Schafe mit ihnen um das Bauernhaus ziehen, jedes zehnte männliche Schaf hat nur mit Geschlechtsgenossen Sex. Weitere zwanzig Prozent der männlichen Hausschafe sehen das ein bisschen lockerer: Sie sind offen bisexuell – das Angebot bestimmt bei ihnen die Nachfrage.
Graugans
Pärchen mit Leihmutter
Graugänse sind ganz besonders treue Tiere, sie bleiben ein Leben lang mit ihrem Partner zusammen – und bei 20 Prozent der männlichen Gänse ist dieser Partner ebenfalls ein „Er“. Die beiden putzen sich gegenseitig die Federn, bauen miteinander ein Nest, sie kopulieren miteinander und manchmal organisieren sie sich aus Nachbarnestern ein Ei, um selbst ein Küken aufzuziehen. Selten, aber doch wurde bereits beobachtet, dass sich männliche Graugänse eine Leihmutter organisieren – die wird dann von einem der beiden Gänse befruchtet und bleibt, bis das Junge schlüpft, im Nest.


Fruchtfliege
Ich nehm’, was kommt
Fruchtfliegen sind schwer auseinanderzuhalten, für uns Menschen sowieso, aber auch für die Fruchtfliegen selbst. Ist das jetzt ein Männchen oder ein Weibchen? Da sind sich selbst Fliegen oft nicht sicher, und deswegen kann es passieren, dass eine männliche Fruchtfliege versucht, eine andere männliche Fruchtfliege abzuschleppen.
Iltis
Ein guter Freund für ein paar Minuten
Der Europäische Iltis ist ein ziemlicher Eigenbrötler. Er ist ein Einzelgänger, lebt am liebsten auf sich allein gestellt, ohne gesellschaftlichen Kontakt zu anderen Artgenossen. Nur manchmal, dann überkommt ihn die Paarungswut. Und das kann durchaus auch mit anderen Männchen passieren, falls gerade kein Weibchen seine Eigenbrötlerwege kreuzt. Nach dem Akt gehen die beiden Iltisse übrigens sofort wieder getrennte Wege.


Stockente
Bis dass das Ei euch scheidet
Beziehungen mit dem anderen Geschlecht? Stockenten sagen da ganz klar: Nein! Bei den Weibchen bleiben männliche Stockenten nur so lange, bis diese ein Ei gelegt haben. Dann verschwinden sie und hängen lieber mit ihren Jungs ab. Jede fünfte Stockente führt nach der Zeugung eine Beziehung mit einer anderen männlichen Ente. Sex inklusive – nur ohne Fortpflanzungsdruck.
Insekten
Was bist denn du?
Bei insgesamt 110 Insektenarten sind mittlerweile homosexuelle Paarungen nachgewiesen, und zwar bei Tieren aller möglichen Größen, von Bettwanzen bis zu diversesten Libellenarten. Bei den meisten aber ist es ein Fehler: Männchen halten andere Männchen versehentlich für ein Weibchen. So lange, bis es zu spät ist.


Stelzenläufer
Freundin mit Benefits
Über die Männchen ist bei diesen seltenen Vögeln wenig bekannt, dafür haben sich die Weibchen hier einiges zu sagen. Bei jeder vierten Stelzenläuferpopulation gibt es weibliche Pärchen. Diese bleiben in der Regel eine Saison zusammen, bevor sie sich in der nächsten Saison eine neue Freundin suchen. Häufig brüten diese weiblichen Pärchen auch gemeinsam Eier aus, zumindest eine muss sich davor also mit einem Männchen getroffen haben.