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Bella Ferlings, Resi Reiner
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Craig Dillon

Natur

Schwere Kindheit

Jedes Jahr werden in Österreich Hunderttausende Bäume gepflanzt. Doch nur ein Bruchteil von ihnen kommt durch und wird auch groß. Denn draußen in der freien Wildbahn warten viele Schwierigkeiten auf die Bäumchen.

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der mensch

Menschen lieben Wälder und das ist im Prinzip ein gutes Zeichen. Weil Menschen in der Regel das, was sie gerne haben, ganz besonders schützen, profitiert davon auch der Wald. Zumindest meistens. Doch manchmal kann für die Bäume diese Liebe leider auch zum Problem werden, weil gerade Menschen, wenn sie in den Wald gehen, ihn mitunter in Mitleidenschaft ziehen. Mountainbiker können zum Beispiel, wenn sie kreuz und quer durch den Wald fahren, großen Schaden anrichten. Oder Skifahrer, die abseits der Pisten im Tiefschnee unterwegs sind und sogenannte Tree-runs hinlegen, also durch die Bäume Slalom fahren. Das macht zwar einerseits grossen Spaß, die Stahlkanten können aber die Jungbäume und vor allem die frischen Triebe verletzen. Damit der Wald so wachsen kann, wie er soll, macht es also Sinn, den Tourismus insgesamt und die Menschen, die den Wald lieben, im Wald ein bisschen zu lenken. Waldbesitzer schreiben deswegen Routen für Wander- und Radwege oder Skitouren aus, um die Besucherstrome in ökologisch vertragliche Bahnen zu lenken. Und umweltbewusste Menschen halten sich auch tunlichst daran und damit auch an die Schutzzonen. Damit die Baume so wachsen können, dass auch in Zukunft noch ein Wald da ist, den die Menschen lieben können.

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Rehe, Hirsche und andere Tiere

Bäume, vor allem die jungen Triebe von Nadelbäumen, schmecken gut. In der Spitzengastronomie spricht sich das seit einigen Jahren herum, Tannennadeln oder Fichtenspitzen werden da immer häufiger als interessanter Geschmacksbringer eingesetzt, und zwar sowohl bei den Desserts als auch bei denHauptgerichten. Doch die Gourmets und Haubenköche sind nicht die größten Feinde des Jungwalds. Es sind Rehe, Hirsche und anderes Wild, die schon sehr viel länger auf den Geschmack der jungen Triebe gekommen sind. Gerade bei Aufforstungen, wo nach Windwurfen oder anderen Umweltkatastrophen auf größeren Flächen Jungpflanzen gesetzt werden, kann der Wildverbiss ein enormes Problem sein. Ein Hirsch fühlt sich auf einer Aufforstungsflache oft wie bei einem All-You-Can-Eat-Buffet. Und er kann wirklich viel essen. Nicht immer bringt das Wild dabei die Bäume zur Gänze zur Strecke, aber der Verbiss kann das Wachstum um viele Jahre bremsen und die gesamte Schutzwirkung des Waldes stark beeinträchtigen. Wo kein Wald, da kein Schutz. Denn nur gesunde und intakte Baume schützen uns Menschen vor Lawinen, Muren oder Steinschlagen.

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WIND
UND
WETTER

Wie stark ein Sturm sein kann, damit ein Baum ihn übersteht, das hängt natürlich zuallererst einmal vom Baum ab. Wie tief wurzelt er? Wie direkt ist er den Bedingungen ausgesetzt? Und vor allem: Wie dick ist er? Als einfache Faustregel gilt: Ein normal gewachsener Baum, der vor allem ausreichend Platz zum Wachsen hatte (weil der Wald um ihn herum immer wieder gut durchforstet wurde), halt Stürmen bis zu 70 Kilometer pro Stunde stand. Natürlich nur, wenn er ausreichend dick ist. Dick wird ein Baum aber erst, wenn er eine gewisse Höhe erreicht hat, erst dann beginnt das sogenannte Dickenwachstum. Und was ist ausreichend dick, um einem Sturm zu widerstehen? Am wichtigsten ist, dass das Verhältnis von Höhe und Dicke passt. Sonst hat der Baum gegen Stürme und auch nassen Schnee wenig Chance. Im Idealfall entwickelt sich eine Fichte so gut, dass sie einen Durchmesser von 50 Zentimetern, eine Buche von 60 Zentimetern, eine Eiche sogar von 80 Zentimetern hat. Generell gilt: Tiefwurzelnde Bäume wie Tannen und Lärchen haben bessere Chancen als Flachwurzler, wie etwa die Fichte. Wobei Chance: Bei richtig starken Sturmböen wie zuletzt beim Sturmtief Sabine im Jänner sind auch ausgewachsene, normal beleibte Baume chancenlos.

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DER
NACHBARBAUM

Bäume wachsen unterschiedlich schnell. Das ist prinzipiell kein Problem, denn der Wald ist groß genug, da ist für alle Platz. Aber eben nicht immer. Denn gerade im Wachstum brauchen Bäume Luft und vor allem Licht. Und sie brauchen Platz. Zwei Meter mal zwei Meter sind bei einem jungen Baum ausreichend, aber alles, was darunter ist, nimmt zu viel Licht und vor allem auch Nährstoffe weg. Damit die Bäume also gut wachsen können, braucht es eine Dickungspflege. Dabei werden die vitalsten, also zukunftsträchtigsten Bäume definiert, und alles, was ihnen im Weg steht, wird entfernt. Meistens trifft es dabei die sogenannte Begleitvegetation also Bäume, die im Wald ebenfalls wachsen, aber eben sehr schnell sehr groß werden und den nachwachsenden Bäumen das Licht wegnehmen. Birken sind derartige Begleitbäume und müssen bei der Dickungspflege manchmal entfernt werden. Damit die Bäume, die auch bei schlechteren Witterungsbedingungen leichter überleben und hohen Sturmspitzen trotzen können, überhaupt eine Chance haben, auf eine normale Größe anzuwachsen. Denn ohne diese Dickungspflege bleiben diese Bäume klein. Und sind damit eine leichte Beute für ihre Feinde.

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Bella Ferlings und Resi Reiner
würden jetzt selber gerne so einen Baum pflanzen. Leider haben die beiden nicht genug Platz im Wohnzimmer und keinen Garten.

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