Geschlechterrollen
#TierToo
Wie Tiere es finden, wenn Männchen aufdringlich werden, ist schwer zu sagen. Wir wissen auch nicht, wie sie generell zum Thema struktureller Sexismus stehen. Fest steht nur: Es gibt unter ihnen viele Frauen, die ihre Umgebung fest im Griff haben. Aber auch ein paar wirklich üble Typen.
Lang lebe die Königin
Die Honigbiene
Honigbienen sind die Amazonen der Wiesen und Wälder. Sie schmeißen den Bienenstock alleine und verteidigen ihn bis aufs Blut. Männliche Bienen brauchen sie nur, damit die ihre Königin befruchten. Nachdem die Drohnen geschlüpft sind, dürfen sie eine Zeit lang bleiben. Sobald die Nahrung knapp wird, werden sie von den kämpferischen Bienen rausgeworfen. Und zwar mit Gewalt. In der Drohnenschlacht stechen oder beißen Bienen gerne zu. Drohnen, die das überleben, sterben kurz darauf, da sie sich mit ihrem verkürzten Rüssel nicht selbst ernähren können. Allerdings sind potenzielle Thronfolgerinnen auch zueinander beinhart. Diejenige Jungkönigin, die zuerst schlüpft, sucht die Eier mit ihren ungeborenen Schwestern darin und sticht sie alle tot.
Belle de Jour
Die Wildschweinbache
Keiler können schon echt lästig sein. Aber mit ihnen lassen sich Wildschweinbachen, die in Frauenverbänden mit ihren Jungen leben, ohnehin nur ein, wenn sie wollen. Sobald ihre Anführerin, die Leitbache, paarungsbereit ist, werden es auch die restlichen Weibchen. Das lockt die Männchen an. Manche von ihnen werden den Bachen aber zu aufdringlich. Sie treiben die Weibchen vor sich her, verfolgen sie und pressen ihren Kopf gegen sie. Bei Unbelehrbaren machen Wildschweinbachen einen auf Catherine Deneuve und lassen sie eiskalt abblitzen. Sie wehren sich, indem sie verächtlich quietschen oder angreifen. Da nutzt es dem Keiler auch nichts mehr, wenn er doch noch auf die sanfte Tour kommt – indem er das Weibchen anpustet oder anstupst. Die Bache setzt sich dann einfach so hin, dass eine Paarung unmöglich wird. Netter Versuch, aber so wird das nichts, Kleiner!
Paradies Liebe
Die Rehgeiß
Rehweibchen bleiben normalerweise dort, wo sie genug Nahrung und Wasser haben. Aber für die Liebe ändern sie ihre Prioritäten einmal im Jahr. Im Sommer beginnt die Brunftzeit des Rehwilds. Auf der Suche nach den perfekten Partnern legt eine Geiß auch mal ganz schön weite Strecken zurück. Und ja, richtig gelesen, sie sucht nicht nach dem Richtigen, sondern nach mehreren passenden Böcken. Die potenziellen Kandidaten müssen in Brunftkämpfen gegeneinander antreten. Die Stärksten kommen zum Zug. Es kann dann schon mal vorkommen, dass sich ein Reh in 48 Stunden von mehreren Männchen beglücken lässt. Nach so einem Ausflug sind Zwillingskitze mit zwei verschiedenen Vätern keine Seltenheit. Rehweibchen leben in Gruppen gemeinsam mit ihrem Nachwuchs.
Vorstadtweiber
Die Heckenbraunelle
Sie haben alles: einen Job, ein Eigenheim mit großem Garten, Kinder. Heckenbraunellenweibchen leben in ihren eigenen Revieren. Aber sie wollen die ganze Arbeit nicht alleine machen und vor allem: auch ein bisschen Spaß haben. Also paaren sie sich mit Männchen aus angrenzenden Revieren. Das verbessert einerseits das Erbgut des Nachwuchses der weit verbreiteten Singvögel und erhöht andererseits die Anzahl der Schnäbel, die ihn füttern. Heckenbraunellen leben generell sexuell freizügig. Forscher beobachteten bei den braungrauen Vögeln so ziemlich alle denkbaren Varianten von Mann-Frau-Beziehungen: Monogamie, Polyandrie, Polygynie, oder aber auch Polygynandrie – beide Geschlechter paaren sich mit mehr als einem Partner. You name it.
Täter im Teich
Der Erpel
Eigentlich leben Enten ja monogam. Es gibt aber immer wieder Erpel, die sich ordentlich danebenbenehmen. Meistens sind es Jungesellen, die bei der Partnersuche nicht zum Zug kommen, die rabiat werden. Mit Abweisung kommen sie nämlich nur ganz schlecht zurecht. Sie vergreifen sich dann nach Lust und Laune an Weibchen, die zufällig vorbeikommen. Oft vergehen sich mehrere Erpel an einer Ente. Dabei drücken sie sie oft brutal unter Wasser. Das passiert vor allem an Stellen, an denen viele Enten zusammenkommen, weil sie dort ständig gefüttert werden.
Wuschig im Wasser
Das Erdkrötenmännchen
Es gibt Typen, mit denen möchte man ab Ende März wirklich nicht im selben Tümpel sitzen. In der Paarungszeit der Erdkröten ist der Hormonüberschuss bei vielen Kröterichen so stark, dass sie alles umklammern, was ihnen über den Weg läuft. Da kommt es schon mal vor, dass eines der bis zu 50 Gramm schweren Männchen einen vorbeischwimmenden Fisch oder Feuersalamander anspringt. Für die Auserwählten sind das Gewicht und die feste Umklammerung oft einfach zu viel. Feuersalamander, die keine guten Schwimmer sind, ertrinken dabei schon mal. Aber auch sonst ist das Erdkrötenmännchen ein anstrengender Partner. Beim Liebesakt klettert er auf das Weibchen und legt seine Vorderbeine ganz fest um ihren Körper. Erst wenn das Weibchen die Eier zur Befruchtung ablegt, lässt er los.
Eine von Zwei
Der Trauerschnäpper
Für die Frau eines Trauerschnäppers bedeutet auch eine feste Bindung nicht unbedingt, dass sie die Einzige ist. Und wenn sie Pech hat, dann ist sie überhaupt nur seine zweite Wahl. Denn der männliche Trauerschnäpper will sich nicht für eine Familie entscheiden. Sobald seine erste Gattin brütet und mit ihren Eiern ans Nest gebunden ist, sucht sich das Männchen in sicherer Entfernung eine Zweitfrau, um mit ihr eine Zweitfamilie zu gründen. Wenn Nummer zwei dann brütet, fliegt der Singvogel zurück in sein erstes Nest und hilft dort, die fünf bis sechs Jungen aufzuziehen. Die Zweitfrau lässt er schließlich mit den Kindern sitzen – von denen dann nur selten alle überleben.
Like they do on the Discovery Channel
Es gibt da so Geschichten. Zum Beispiel über junge Rothirsche. Immer wieder sollen diejenigen, die während der Brunft nicht zum Zug kommen, Weibchen auflauern, sie in Gebüsche locken und dann über sie herfallen. Auch manche Insekten, Vögel und Affen sind bei der Fortpflanzung mitunter nicht gerade zimperlich.
Tiere können eben nicht anders.
Sie müssen sich fortpflanzen, um ihre Art zu erhalten. Das sagt auch Martina Keilbach von den Österreichischen Bundesforsten. „Wir sollten das Verhalten von Tieren nicht nach menschlichen Maßstäben beurteilen“, so die Biologin, „denn Tiere leben so, wie es sich während der Evolution als effektiv erwiesen hat.“ Und dabei folgen sie ihren Trieben. Am Ende geht es für Tiere immer darum, ihre Art zu erhalten. Hinter allen Fortpflanzungsstrategien stehen im Tierreich keinerlei Absichten – weder gute noch schlechte, sagt Keilbach. Im Verlauf der Jahrtausende haben Tiere also viele verschiedene Verhaltensweisen und Strategien entwickelt, um sich erfolgreich zu vermehren. Erdkrötenmännchen klammern sich an ihre Partnerin, bis sie ihre Eier ablegt, Trauerschnäpper haben gleich zwei Familien und Rehweibchen suchen sich mehrere Partner. Es gibt sehr unterschiedliche Konstellationen von Männchen-Weibchen-Beziehungen. Jetzt ist es im Tierreich aber nicht so, dass die Weibchen dabei immer die Schwächeren wären. Im Gegenteil, es gibt genügend Beispiele von Arten, bei denen die Frauen ganz klar das Sagen haben. Das bekannteste Beispiel sind wohl die Honigbienen mit ihrem Königinnenstaat. Männchen dürfen bei den Bienen nur so lange im Nest bleiben, wie sie ihnen nützlich sind. Aber auch das hat mit Frauenquote oder Gleichberechtigung nichts zu tun, genauso wenig ist es übrigens struktureller Sexismus, wenn bei vielen Wildtieren die Weibchen die Jungen aufziehen.
Bei Tieren ist alles immer einfach so, wie es ist. Es geht ihnen nur ums Überleben – dafür brauchen Männchen Weibchen und umgekehrt. Aber die Wege, über die sie zueinanderfinden und wie sie zusammenleben, hängen letzten Endes immer davon ab, was funktioniert. Für Kurt Kotrschal, Professor des Instituts für Verhaltensbiolgie und Direktor der Konrad Lorenz Forschungsstelle im Almtal, ist in der freien Natur fast alles eine reine Kosten-Nutzen-Rechnung. Unter Tieren zählt allein Effizienz. Sie müssen ihre Gene so gut wie möglich verteilen und weitergeben, um möglichst viele starke Kinder zu bekommen. Tieren kann man nie einen Vorwurf machen. Nicht mal dem Erpel, der in Ausnahmefällen ein richtiges Schwein sein kann.
Resi Reiner und Nadine Zeiler
waren sehr erstaunt über das Verhalten mancher Tiere. Vor allem Erpel sehen sie jetzt mit ganz anderen Augen.