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Lisa Edelbacher, Barbara Nothegger
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Barbara Ster

Klimawandel-Spezial

Und jetzt: Das Wetter

Corona, Corona, Corona: 2020 war das Thema so zentral, dass andere Probleme aus den Nachrichten verschwanden. Dabei war es das wärmste Jahr der Messgeschichte, geprägt von Eisschmelze und Ernteausfällen.

Apollofalter

Wir schreiben den 7. April 2020, ein Dienstag in der Karwoche: Es ist ziemlich warm in Österreich, ungewöhnlich warm für die Jahreszeit, geregnet hat es auch schon länger nicht mehr. Über Kärnten wird sich in dieser Nacht ein sogenannter „Supervollmond“ zeigen, aber das ist nicht der Grund, warum dieser Tag in die Geschichte eingehen könnte – doch genau das tut er: Der 7. April des Jahres 2020 ist jener Tag, an dem so wenig CO₂ ausgestoßen wird wie noch nie in der Geschichte der CO₂-Messung. Überall in der globalisierten Welt stehen Fabriken still, weltweit befinden sich Hunderte Millionen Menschen in Lockdowns, der Individualverkehr sowohl auf der Straße als auch in der Luft ist völlig zusammengebrochen. Das hinterlässt Spuren, und wenn man so will: Die Welt atmete auf und nicht wenige freuten sich an den grandiosen Bildern: Wann hatte man zuletzt in der Lagune in Venedig klares Wasser gesehen? Wann gab es zuletzt Delphine im Canal Grande? Die Aufnahmen davon gingen um die Welt.

Das ist natürlich kein Kunststück, denn die Welt hatte an diesem 7. April andere Sorgen, sie hatte den Pause-Schalter ja nicht aus Umweltschutzgründen aktiviert, sondern wegen der Corona-Krise. Doch weil diese nach wie vor anhält, ist die Klimakrise ein bisschen in den Hintergrund getreten. Und das ist verdammt gefährlich. Denn nur weil Corona dafür gesorgt hat, dass wir in der Beschleunigung des Klimawandels ein paar Runden ausgesetzt haben, heißt das ja noch lange nicht, dass alles vorbei ist. Im Gegenteil: Heute wissen wir, dass der erste Lockdown nur ein kurzes Aufatmen war, eine winzige Delle in einer ansteigenden CO₂-Kurve.

Schon im Sommer 2020 stieg der CO₂-Ausstoß wieder an, oft sogar stärker als gedacht, weil ein sogenannter „rebound effect“, also ein Nachholeffekt einsetzte. Dass für ein paar Monate weniger CO₂ in die Atmosphäre geblasen wurde, hat für das Klima keine Auswirkung. Weil das Kohlendioxid sehr lange in der Atmosphäre verweilt, stieg der CO₂-Gehalt auch im letzten Jahr weiter an, ein paar Monate daheim herumzusitzen hilft genau gar nichts – zu diesem ernüchternden Schluss kommt auch der Jahresbericht der UN-Weltwetterorganisation. Und doch sind wir weniger alarmiert, Corona und die Folgen der Pandemie haben unsere Aufmerksamkeit in den Bann gezogen. Treffen Großkrisen aufeinander, selektieren wir. Wir tun uns schwer damit, mehreren Katastrophen Beachtung zu schenken.

Hinzukommt, dass die Pandemie eine Krisendimension aufweist, die der Debatte um den Klima­wandel bisher immer fehlte: die des menschlichen Leidens. Es mag ja sein, dass es in ferneren Regionen bereits Hitze­tote und Flutopfer und Klimaflüchtlinge gibt, aber länger als ein paar Tage halten diese sich nie im News­Cycle, weil es eben in „fernen Ländern“ passiert. Und bei uns? Was ist schon das Bild eines sterbenden Gletschers im Gegensatz zu dem eines sterbenden Menschen? 

Treffen Grosskrisen aufeinander, selektieren wir.

Herbert Formayer vom Institut für Klimatologie an der BOKU sieht das anders. Nein, sagt er, die Klimakrise ist eine Menschenkrise, am Ende würde sie doch uns Menschen treffen. Und dann sagt er das, was man in vorpandemischen Zeiten schon fast in mantraartiger Häufigkeit zu hören bekam: „Wenn wir nicht sofort handeln, wird es zu spät sein.“ Man müsse sich doch nur umsehen, sagt Formayer und zählt auf: schmelzende Polkappen, die Austrocknung des Regenwaldes, der Permafrost der Arktis. All das sind sogenannte Kippelemente, jene Phänomene, die das Zeug haben, unser Klimasystem endgültig und unumkehrbar in die Knie zu zwingen. Sie sind die Achillesferse unserer Erde und eigentlich mehr als nur ein bisschen eingerissen. Der grönländische Eisschild ist laut Formayer in den vergangenen Monaten so stark zurückgewichen wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Gefährlich nah sei es damit an den sogenannten „Point of no Return“ gekommen, an den Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt. Man muss übrigens nicht weit verreisen (was man ohnehin nicht kann), um die Auswirkungen des Klimawandels zu sehen. Auch in Österreich ging es 2020 im Schatten der Pandemie mit der Umweltkrise munter weiter. Das Jahr 2020 reiht sich gut in die ständig steigende Temperaturkurve ein. Im Vergleich zu dem Mittelwert der Jahre von 1961 bis 1990 war es 2020 um zwei Grad wärmer.

Und zwei Grad klingt nicht nach viel, die Folgen sind aber fatal. 2020 war in den Alpen das wärmste Jahr der Messgeschichte. Der Hintereisferner im Ötztal, früher einer der größten Gletscher Österreichs, schmolz im vergangenen Jahr dramatisch. Im Tiefland fiel im Frühjahr nur die Hälfte der Regenmenge und sorgte für staubtrockene Böden und zahlreiche Waldbrände. Im Februar und März wiederum war es so warm und sonnig, dass manche Pflanzen zwei Wochen zu früh austrieben – der Kälteeinbruch im Mai brachte dann Frostschäden, die manche Landwirte an den Rand ihrer Existenz trieben. Und im Dezember versank Osttirol unter einer meterdicken Schneedecke. Noch nie seit Anbeginn der Messgeschichte hat es dort so viel geschneit. Aber: Auch extremer Schneefall steht im Zusammenhang mit dem Klimawandel, denn die wärmere Luft bringt mehr Feuchtigkeit und damit auch mehr Niederschlag mit sich. Nur eben zur Unzeit.

Marille

Dass viele Österreicher das vergangene Jahr dennoch nicht als Jahr der großen Klimaprobleme abgespeichert haben, hat übrigens nicht nur mit der alles überstrahlenden Pandemie zu tun – sondern auch mit dem Sommer. 2021 war es nämlich in der Spitze nicht so tropisch heiß wie in den Sommern der Jahre 2018 und 2019. Dafür regnete es mehr als in den meisten Jahren. 2020 zählte zu den 25 niederschlagreichsten der Messgeschichte. Wetterextreme und große Naturereignisse gibt es natürlich schon seit Hunderten von Jahren. „Seit jeher haben diese den Wald vor große Herausforderungen gestellt“, sagt Norbert Putzgruber, Leiter der Stabsstelle Wald, Naturraum und Nachhaltigkeit der Österreichischen Bundesforste. Nichtsdestotrotz sei es so, dass in den letzten Jahren die großen Schadereignisse nicht nur zugenommen haben, sondern auch des Öfteren auf den Klimawandel zurückzuführen sind.

Ein Beispiel dafür wäre der massive Starkregen in einigen Regionen, der zu Murenabgängen und eingebrochenen Straßen führte. Trotzdem: Zumindest für den österreichischen Wald sei das Jahr 2020 laut Putzgruber gar nicht so schlimm gewesen. Die vergangenen Hitzesommer hätten den heimischen Wäldern ordentlich zugesetzt, besonders die Fichte sei diesen saharaähnlichen Bedingungen nicht gewachsen. „Die Niederschläge haben den Wald aber ein wenig gestärkt, er ging mit mehr Reserven ins neue Jahr“, so Putzgruber. Und Reserven, so viel steht fest, wird nicht nur der Wald, sondern die gesamte Natur, ja wir alle früher oder später brauchen. Laut Prognosen des Europäischen Wetterdienstes eher früher als später: Im Frühling, so die Einschätzung, kommt wieder eine Dürre auf uns zu. Ob in diesem Jahr jemand hinsieht?

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Lisa Edelbacher
war verblüfft darüber, wie wenig Auswirkungen die Pandemie auf den Schadstoffausstoß tatsächlich hatte. Nach Gesprächen mit Klimatologen war die Klimakrise für sie so spürbar wie noch nie.

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