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Lisa Edelbacher
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Florian Rainer

Wissenschaft

Das Geheimnis der 1000-jährigen Bäume

Dass es in Österreich jede Menge Wasser gibt, wissen wir. Dass man damit Energie gewinnen, darin baden oder es einfach nur trinken kann, wissen wir auch. Dabei hat unser Wasser auch eine magische touristische Anziehungskraft. Auf Menschen, die in ihrer Heimat nicht so wahnsinnig viel davon haben. Wir haben diese Wassertouristen im Pinzgau besucht.

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Links: Die Aussichtsplattform am Kitzsteinhorn ist eines der beliebtesten Ausflugsziele arabischer Touristen. Rechts: Touristen vor den Krimmler Wasserfällen.

We offer carpets for praying.“ Es ist nur ein kleiner Zettel, der da neben der Kassa klebt, aber er reicht aus, um stutzig zu machen. Carpets for praying? Hier? Hier in der Mittelstation der Standseilbahn auf das Kitzsteinhorn, mitten in den Hohen Tauern? Ski könnte man hier brauchen. Helme. Anoraks und Pudelmützen wie die, die ein Stück hinter der Kassa hängen. Aber nein: Direkt bei der Kassa wird darauf hingewiesen, dass man sich Gebetsteppiche ausborgen kann.

Wann wohl wer kommt, der sie braucht?

Es hat sich einiges verändert in der Tourismusregion Pinzgau, im Nationalpark Hohe Tauern. Hier, wo bis vor wenigen Jahren neben einheimischen Touristen vor allem deutsche Stammgäste erst Ski- und dann Wanderurlaub gemacht haben, haben schon seit einiger Zeit andere Gäste ihr Sommerquartier aufgeschlagen. Touristen mit mindestens genauso viel Geld, Touristen mit mindestens genauso expliziten Urlaubsvorstellungen und eigenen Bräuchen – Touristen von der Arabischen Halbinsel. Sie bringen gar nicht so wenig Geld hierher. Und nein, es sind gar nicht so wenige. Ganz oben am Gipfel, auf 3.029 Metern Höhe, füllt sich etwas später die Aussichtsplattform langsam mit den Gästen aus den Golfstaaten. Besonders die Frauen sind leicht zu erkennen, tragen Kopftuch oder Niqab, den schwarzen Gesichtsschleier. Oder eben die knallroten Winterjacken, die man im „Kitz Sport“ ausleihen kann. Heute sind hier fast ausschließlich Araber zu sehen, nur wenige europäische Touristen mischen sich unter sie. Kleine Gruppen umringen die zwei Fernrohre am Geländer, Pärchen fotografieren einander vor den mächtigen Gipfeln im Hintergrund. Die meisten sind jung, Mitte zwanzig, und zum ersten Mal in Österreich. Khalid und Wafa, ein junges Paar aus Dubai, verbringen einen Teil ihrer Hochzeitsreise in Zell am See. Der Gletscher hat es ihnen dabei besonders angetan, denn die beiden haben noch nie zuvor Schnee gesehen. Trotz aller Begeisterung stehen sie aber eher ratlos vor dem weißen Haufen am Rand der Plattform. Auch mit dem Vorschlag des Fotografen, einen Schneeball zu formen, können sie nicht viel anfangen. Als er endlich zugreift, zuckt Khalid sofort zurück: „That’s hot.“ Dann hält er einen großen Brocken Eis fragend in die Kamera. Wir müssen ihm zeigen, wie es geht. Unsere kleine Demonstration findet schnell Anklang, nicht nur bei Khalid und Wafa, sondern auch den anderen arabischen Touristen. Als die ersten Schneebälle über die Aussichtsplattform fliegen und schwarz verhüllte Frauen lachend in Deckung gehen, ziehen wir uns vorsichtshalber ins Gipfelrestaurant zurück.

Wien – Salzburg – Zell am See – das ist für viele Araber die österreichische Etappe einer längeren Europareise. Im Durchschnitt bleiben sie drei Tage, bevor sie nach Deutschland, Italien oder in die Schweiz weiterfahren. Seit etwa zehn Jahren kommen sie und sie werden jedes Jahr mehr. Hotels und Restaurants, Kaffeehäuser und Souvenirgeschäfte haben sich längst auf sie eingestellt, sind sie doch ein besonders zahlungskräftiges Publikum. Die Tourismusorganisation Österreich Werbung hat inzwischen ein eigenes Büro in Dubai und eine arabischsprachige Webseite. Sie wirbt auf Messen, in Radio- und Fernsehspots und mit Zeitschriftenbeilagen. Sogar eine eigene Smartphone-App, speziell für arabische Touristen, wurde entwickelt. Mit Erfolg: In den vergangenen drei Jahren haben sich die Besucherzahlen aus den Golfstaaten jedes Jahr verdoppelt. Das überzeugendste Argument der Werber für den Urlaub in Österreich ist denkbar einfach: Wasser. Gemeinsam mit den angenehmen Temperaturen ist für die Touristen aus den heißen Wüstenstaaten selbst Regen eine willkommene Abwechslung. Mit dem See, dem Gletscher am Kitzsteinhorn und den Krimmler Wasserfällen ganz in der Nähe ist Zell dabei ein besonders verlockendes Ziel. Im Sommer, wenn die Durchschnittstemperaturen auf der Arabischen Halbinsel auf 34 Grad ansteigen, strömen Tausende arabische Touristen hierher. Und allen wirtschaftlichen Vorteilen zum Trotz musste sich so mancher Einheimische daran erst gewöhnen. Vor allem in den ersten Jahren war das schwierig, erinnert sich Willi Hanke, Chef des Restaurants direkt bei den Krimmler Wasserfällen. Da habe es öfters Probleme gegeben, wenn arabische Männer etwa Kellnerinnen ignoriert hätten. „Das hat sich ­inzwischen geändert, in den letzten Jahren habe sie sich stärker angepasst“, sagt Restaurantbesitzer Hanke. Doch auch er hat sich an die neuen Kunden angepasst, denn: „Die geben’s Geld aus, leisten sich gutes Essen, ein Rumpsteak oder eine frische Bachforelle. Darum führen wir auch mehr lokale Produkte, die gingen vorher nicht so gut.“ Vorher, das war eben die Zeit, als vor allem Stammgäste aus den europäischen Nachbarländern kamen. Gäste, deren Sprache und deren Kultur den Einheimischen so viel vertrauter waren.

Vertrauter, und vielleicht auch einfach optisch weniger auffällig als die arabischen Touristen. Sie sind im Wald rund um die Wasserfälle kaum zu übersehen. Eine dicke Frau in schwarzer Vollverschleierung schleppt sich, angefeuert von ihren Kindern, den steilen Weg hinauf. Weiter unten im Wald sitzen zwei junge Männer auf einer steinernen Bank. Einer von ihnen trägt große, verspiegelte Sonnenbrillen und ein enges, schwarzes Armani-Shirt, der andere den dichten Vollbart eines Islamstudenten. Direkt darüber, am ersten Aussichtspunkt, fotografiert der 17-jährige Fahat al-Muteri aus Kuwait die Wasserfälle mit seinem iPad. Er ist mit seiner Familie hier – Vater, Mutter und zwei Schwestern. Als wir ihn um ein Gruppenfoto bitten, bekommen wir eine Antwort, die wir inzwischen schon gut kennen: Ihn dürfen wir gerne fotografieren, die Frauen seiner Familie aber nicht. Arabische Touristen in Österreich – bei aller Anpassung bleibt das eben ein kleiner Kulturschock. Besonders, wenn es um den Umgang zwischen den Geschlechtern geht.

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Arabische Infotafeln sind in Zell am See oft zu finden.

Zurück in Zell ist der Bootsverleih am frühen Nachmittag gut frequentiert. Ein handschriftlicher arabischsprachiger Zettel auf der Infotafel informiert über die Ausleihbedingungen, und es sind vor allem arabische Touristen, meist junge dreiköpfige Familien,­ die in den kleinen Motorbooten über den See tuckern.  Auch in der Fußgängerzone sind die Gäste aus den Golfstaaten in der Überzahl. Von allen Seiten locken Cafés und Restaurants mit arabischsprachigen Werbetafeln und Menükarten, oft kann man auch die Aufschrift „Halal“ entdecken – das islamische Kennzeichen für zulässige Speisen. In einem Feinkostladen hängen Lebkuchenherzen in der Auslage. Sie sind mit Botschaften aus Zuckerguss verziert: „Süße Grüße aus Zell am See“ und „Ich liebe dich“ – auf Arabisch. Das Geschäft hat die Lebkuchenherzen extra herstellen lassen, einen Nachbarn mit arabischen Wurzeln gebeten, die Sprüche zu übersetzen.

Die Fähigkeiten arabischkundiger Einheimischer sind besonders in den Sommermonaten gefragt. Ob als Übersetzer, Kellner oder Hotelpage, wer die arabischen Gäste versteht und ihre Gewohnheiten und Bräuche kennt, ist klar im Vorteil. Alle anderen behelfen sich mit Englisch, das die Touristen oft besser beherrschen als die Einheimischen. Auch die lokale Tourismusorganisation hilft, sie verteilt arabisch­sprachiges Infomaterial an die Hotels und Geschäfte. Für den Feinkostladen hat sich das Übersetzen der Lebkuchenherzen allerdings nicht wirklich ausgezahlt, denn die arabischen Kunden zeigen kaum Interesse an dem Zuckerwerk. Sie greifen lieber zu den original-österreichischen Produkten. Bereitwillig lässt uns die Verkäuferin Herzen fotografieren. Doch bevor wir wieder gehen, unterbricht sie ihr Verkaufsgespräch, um mit uns über unseren Artikel zu sprechen: „Wissen Sie, das ist eigentlich nicht gut, wenn publik wird, dass so viele von denen da sind. Weil dann kommen andere nicht mehr.“ Sie verabschiedet sich, dreht sich zurück zu dem arabischen Kunden, den sie an der Kasse stehen gelassen hatte. Mit einem Blick auf die vier Honiggläser vor ihm fragt sie lächelnd: „Is that all? Do you need anything else?“

So scheint das Unbehagen mancher Zeller ihren neuen Gästen gegenüber ein neues Ventil gefunden zu haben: in der Angst, dass die europäischen Stammgäste – aus Deutschland oder den Niederlanden etwa – von den vielen arabischen Touristen abgeschreckt werden könnten. Die Hoteldirektorin eines Vier-Sterne-Hotels etwa, die seit Jahren gute Geschäfte mit Arabern macht. Sie beeilt sich zu betonen, dass der Name ihres Hotels in den deutschsprachigen Medien in diesem Zusammenhang­ nicht genannt werden darf. Dabei kommen die Araber schon seit Jahren zu ihr – 200 waren es in der Hauptsaison, eine Auslastung von weit über 90 Prozent – und sie kennt sie gut, gibt Tipps, wo die arabischen Gäste zu finden sind und worauf man im Umgang mit ihnen achten sollte. Unser Gespräch wird immer wieder von arabischen Gästen unterbrochen, die am Weg zum Frühstücksbuffet ein paar Worte mit der Hotelchefin wechseln wollen. Auf Englisch wird nach dem Wetter und nach Ausflugstipps gefragt oder werden gleich Taxis organisiert. Kurz darauf kommt dann auch ein älterer Taxifahrer durch den Eingang. Er will Gäste abholen, die eine Fahrt zum Großglockner gebucht haben. „Uma zehne fahrat i mit zwa Leut zum Glockner. Araber.“ Der Rezeptionist schüttelt den Kopf: „Na, kane Araber. Asiaten.“

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Mit arabischen Geldscheinen und Grüßen dekorierter Verkaufstisch im „Kitz Sport“.

Sieht man sich die Nächtigungszahlen in Zell und dem benachbarten Kaprun an, scheint die Angst vor dem schlechten Image durch die arabischen Gäste jedenfalls unbegründet. Sie machen nur einen kleinen Teil der gesamten Ankünfte aus – über das ganze Jahr gesehen sind es etwa fünf Prozent. Und nur weil diese fünf Prozent alle innerhalb weniger Wochen im Sommer kommen, wirkt es manchmal so, als gäbe es gar keine anderen Touristen mehr. Tatsächlich sind auch die Nächtigungszahlen anderer Nationen in den vergangenen Jahren gestiegen. Wer aber tatsächlich zunehmend ausbleibt, sind die stets wiederkehrenden Stammgäste. Claudia Lumpi, Inhaberin eines Souvenirladens im Dorf, freut sich deshalb über die arabischen Gäste – und hat auch keine Angst davor, dass sie andere abschrecken könnten. Man müsse froh sein über Gäste, die auch bei Schlechtwetter kommen, sagt sie: „Die Araber sind auch glücklich, wenn es regnet. Andere – Deutsche und Holländer – fahren dann weiter nach Italien.“ Im Sommer machen die arabischen Gäste inzwischen einen großen Anteil ihres Umsatzes aus. Speziell auf Araber ausgerichtete Souvenirs hat sie nicht, gekauft werden vor allem Geschirr, Taschen und kleine Kosmetikprodukte. Die dafür in großen Mengen: „Wenn sie kaufen, dann kauft gleich die ganze Familie ein.“ Störend sei nur das Handeln, das sie von zu Hause gewohnt seien. „Das ist bei denen eben so, und dann sagen wir halt, dass es bei uns nicht so ist und wir Fixpreise haben.“

Schließlich kennt der erfahrene Zeller noch einen weiteren Vorteil der arabischen Gäste: Alkohol. Peter Schandlbauer, Chef des Hotels Lebzelter in der Fußgängerzone, erklärt: „Die trinken nix. Drum is ma liaba a Araber als wia die Deitschn in Mallorca. Oda a Feierwehrausflug, da is mehr los in der Bude.“ Und außerdem seien sie sowieso sehr pflegeleichte Gäste: „Weil die kumman rein und sogn ‚My friend’ und wemma a no Salamaleikum sogt, dann sans überhaupt glücklich.“ Sagt’s und schickt einem arabischen Gast prompt ein freundliches Salamaleikum entgegen.

Auch so eine kleine Geste, über die sich die arabischen Touristen freuen.

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Jakob Arnim-Ellissen
wurde wieder einmal gezeigt, wie wenig man mit Hocharabisch im echten Leben anfangen kann. Dass trotzdem alles gut gegangen ist, verdankt er den Englischkenntnissen seiner Gesprächspartner.

 

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