Ausg’stopft ist
Herbst 2025
COVERPHOTO:Tom Dalby

Ausg’stopft is

Es gibt Menschen, die sammeln Briefmarken. Oder Bierdeckel. Oder Asterix-Bände. Und dann gibt es Menschen, die sammeln ausgestopfte Tiere. Aber warum machen sie das?  Zu Besuch bei sechs Sammler:innen. 

Präparatoren Ausgestopfte Tiere Ausg'stopft is Wald 59 Herbst

Wer etwas über die Geschichte der Tierpräparation in Europa lernen will, der muss ein Stückchen fahren, und zwar zu unseren Nachbar:innen nach Deutschland, genauer gesagt: nach Ingolstadt. Dort, im lokalen Stadtmuseum, steht das älteste erhaltene Tierpräparat Europas, ein Schimmel, der einst dem schwedischen König Gustav II. Adolf gehörte. Das Pferd fiel 1632 während der Schlacht bei Lützen, und weil der bayerische Hof den Auftrag zur Konservierung des Tieres übernahm, landete es schließlich in Ingolstadt. Das Tier ist heute, fast 400 Jahre später, hervorragend erhalten und das macht es auch so besonders. Ausgestopft wurde das Pferd damals ganz simpel mit Stroh – und offenbar hält das ziemlich lange.

Präparatoren Ausgestopfte Tiere Ausg'stopft is Wald 59 Herbst
Präparatoren Ausgestopfte Tiere Ausg'stopft is Wald 59 Herbst

Die Idee, Tiere dauerhaft zu erhalten, egal, ob als politisches Symbol, als Andenken oder eine Art Trophäe, ist grundsätzlich viel älter als das Präparat in Ingolstadt – sie reicht bis in die Antike zurück. Damals wurden Tiere aus rituellen, wissenschaftlichen oder auch ganz einfach aus dekorativen Gründen konserviert. Der präparierte Schimmel markiert allerdings den Beginn einer professionellen Präparationstradition, die sich ab dem 18. Jahrhundert in Europa verbreitete und sich in viele Teilbereiche differenzierte. 

Im Laufe der Jahre etablierten sich vor allem zwei Methoden als die gängigsten: die soge­nannte „Taxidermie“ und die „Mazeration“. Unter „Taxidermie“ versteht man das, wozu viele einfach „ausstopfen“ sagen, was natürlich zu kurz gegriffen ist. Im Wesentlichen wird bei dieser Technik die Tierhaut vorsichtig abgezogen, behandelt und konserviert, damit sie nicht austrocknet oder fault. Sie wird über ein Modell aus Holz gespannt – manchmal auch über Draht oder Schaum –, auch Muskeln werden nachgebildet, und zwar aus Latex, damit der Tierkörper in seiner natürlichen Haltung gestützt wird. 

Präparatoren Ausgestopfte Tiere Ausg'stopft is Wald 59 Herbst

Bei der „Mazeration“ hingegen wird das Tier zunächst in Wasser oder einer milden chemischen Lösung eingeweicht, damit sich das Fleisch, die Muskeln und die Sehnen von den Knochen lösen. Anschließend werden sie entfettet, gebleicht und wieder zusammengesetzt. In Österreich kennen wir diese Präparate als „Krickerl“.

Genauso wie der Schimmel aus Ingolstadt erzählen auch viele andere Präparate eine Geschichte, nur meistens die ihrer Besitzer:innen. Projektmanagerin Caroline Hahn zum Beispiel hat ihren Kaffernbüffel im Jahr 2006 gemeinsam mit ihrem Vater in Simbabwe geschossen, Pharmareferentin Lisa Mösslacher nimmt ihren Marder schon seit ihrer Kindheit überallhin mit und bei ÖBf-Biologin Claudia Kubista hängen die Fledermäuse, die sie für ihre erste Uni-Lehrveranstaltung präpariert hat, immer noch an der Wand. Was die Sammler:innen unserer Geschichte außerdem gemeinsam haben? Sie sehen ihre Tiere nicht als Dekoration, sondern als Kunstobjekt, mit dem sie auch emotional verbunden sind. Für sie ist Präparation in erster Linie ein aufwendiges Handwerk.

Wer übrigens nicht extra nach Ingolstadt fahren will, der kann auch einfach einen Ausflug nach Reindlmühl in Oberösterreich machen – zu Präparatorin Patricia Höller. Ihre Sammlung ist zwar „nur“ 86 Jahre alt, beherbergt aber rund 2.000 Tiere. Tiger sind da genauso dabei wie Hyänen oder Flamingos. Die hat sich sogar schon mal der Schriftsteller Thomas Bernhard ange­sehen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Stefanie Gabriel, 35, Pharmazeutin (li.) und Lisa Mösslacher, 35, Pharmareferentin (re.), mit Wiesel und Marder

Warum ein Wiesel und ein Marder? Ich hatte sie schon als Kind und habe sie überallhin mitgenommen, auch in die WG. Ich fühle mich ihnen verbunden. Auch, weil sie schon länger ausgestopft sind, als sie eigentlich gelebt haben. (Lisa)

Deko-Objekt oder Mitbewohner:in? Uns ist klar, dass die Tiere einmal lebendig waren, aber zu viel Respekt fällt uns schwer. Wir behandeln sie jedenfalls eher locker; wenn es passt, setzen wir ihnen auch mal eine Kappe auf. (Stefanie)

Was sagen Besucher:innen? Die mögen unsere Tiere! Selbst Freund:innen, die Veganer:innen oder Vegetarier:innen sind, fühlen sich nicht unwohl. (Lisa)

Präparatoren Ausgestopfte Tiere Ausg'stopft is Wald 59 Herbst
Präparatoren Ausgestopfte Tiere Ausg'stopft is Wald 59 Herbst

Claudia Kubista, 41, Biologin und Naturraummanagerin bei den Österreichischen Bundesforsten, mit Fledermäusen

Wie kamen die Fledermäuse zu Ihnen nach Hause? Fledermäuse haben mich immer fasziniert, ich habe auch meine Doktorarbeit darüber geschrieben. Als ich selbst angefangen habe, Lehrveranstaltungen zu halten, wollte ich Präparate haben, damit die Studierenden die Tiere auch richtig in der freien Wildbahn bestimmen können. Also habe ich gelernt, wie man sie präpariert. Diese beiden hier waren die allerersten, die ich ausgestopft habe.

Wie kommt man zu einer Fledermaus? Alle Tiere, die ich präpariere, sind eines natürlichen Todes oder in der Pflege gestorben. Ich bin Teil einer Fledermaus-Community, die verletzte Tiere aufpäppelt. Wenn besonders schöne Tiere sterben, landen sie bei mir und werden ausgestopft.

Was sagen andere zu Ihren Fledermäusen? Kinder fragen: „Ist die echt?“ oder „Lebt die noch?“ Erwachsene finden es oft spannend, ein Tier so nah zu sehen. Viele können dabei ihre Angst abbauen und schauen sich alles in Ruhe an.

Mehr Lehrmittel oder mehr Kunstobjekt? Ein gut gemachtes Präparat kann man durchaus als ein Kunstobjekt sehen. Da fließt nämlich sehr viel Arbeitszeit rein.

Angelika Weinberger, 44, Hausverwalterin und Jägerin, mit Murmeltier

Gekauft oder selbst geschossen? Selbst erlegt, in Tirol. Es war ein sehr emotionaler, einmaliger Moment. Wir haben einem befreundeten Jäger einen Welpen unseres Hundes übergeben. Aus Freude und Dankbarkeit hat er uns ein Murmeltier schießen lassen. 

Wie heißt das Murmeltier? Es hat keinen Namen. Auch wenn es ausgestopft ist, so ist es immer noch ein Wildtier – und diese bekommen keine Namen. Das ist für mich eine Frage des Respekts. 

Gruseln Sie sich, wenn Sie nachts an Ihren Präparaten vorbeigehen? Nein. Schlimmer und gruseliger ist es, wenn man nachts im Wald einem Wildtier in die Augen schaut. Das ist ja mitunter auch gefährlich.

Wann wird ein Tier präpariert und wann kann es weg? Wir präparieren ein Tier dann, wenn die Jagd mit einer besonders starken Emotion oder Erinnerung verbunden ist. Ich könnte mir auch überhaupt nicht vorstellen, ein fremdes Präparat aufzuhängen, denn da fehlt ja die ganze persönliche Geschichte dazu. Ich möchte das Tier, das später bei mir zu Hause hängt, auch lebend gesehen haben. Für mich hat es eine Seele – auch dann, wenn es schon ein Präparat ist.

Präparatoren Ausgestopfte Tiere Ausg'stopft is Wald 59 Herbst
Präparatoren Ausgestopfte Tiere Ausg'stopft is Wald 59 Herbst

Clemens Endlicher, 54, Waldpädagoge bei den Österreichischen Bundesforsten, mit Biber Erich

Wie bekommt man einen Biber? Er wurde im Wienerwald von einem Auto angefahren und danach präpariert. Das war vor 20 Jahren. Heute nehme ich ihn mit dem „Wild.Live!-Mobil“ der Bundesforste eigentlich immer mit.

Hat er einen Namen? Ja. Erich. Warum, weiß ich gar nicht mehr. 

Was macht ihn besonders? Naja, der Biber an sich ist ein faszinierendes Tier. Vom Leben, vom Verhalten – bis hin zum gesellschaftlichen Diskurs.

Sammeln Sie nur aus beruflichen Gründen? Nein, auch privat. Mir ist es aber wichtig, dass man das Tier auch weiterverwertet. Aus dem Fleisch meines ersten Wildschweins habe ich Schweinsbraten gemacht und danach habe ich es präpariert.

Wie reagieren andere auf Ihre Präparate? Oft muss man erklären, dass die Tiere nicht extra für die Ausstellung getötet wurden. Bei uns darf man die Präparate übrigens auch angreifen. 

Patricia Höller, 65, Tierpräparatorin und Leiterin des Salzkammergut Tierweltmuseum, mit Flamingos

Ernsthaft: Flamingos? Ja, wir haben eine sehr große Sammlung. Mein Vater hat sie mit 14 Jahren begonnen. Heute stehen hier fast 2.000 Präparate, von denen wir fast alle selbst präpariert haben. 

Wie kommen Sie an die exotischen Tiere?
Das sind fast alles Schenkungen. Von Privat-besitzer:innen und ganz früher auch von Tierparks.

Was sagen andere zu diesem ganz speziellen Zoo? Kinder sind meistens begeistert, Erwachsene weniger. Für mich sind Präparate Kunstobjekte. Es ist gar nicht so einfach, Tiere nach ihrem Tod so aussehen zu lassen wie davor. 

Würden Sie sich selbst nach Ihrem Tod ausstopfen lassen? Ich nicht, nein. Es gab aber eine Zeit, in der wir einige solcher Anfragen hatten. Von Menschen mit viel Geld. Wir haben uns mal erkundigt, aber das wäre Leichenschändung. Außerdem: So ein ausgestopfter Vogel, das ist dekorativ. Aber ein ausgestopfter Mensch? Das will doch keiner.

Präparatoren Ausgestopfte Tiere Ausg'stopft is Wald 59 Herbst
Präparatoren Ausgestopfte Tiere Ausg'stopft is Wald 59 Herbst

Caroline Hahn, 47, Projektleiterin, mit einem Kaffernbüffelschädel

Wie kommt ein Kaffernbüffel nach Wien? Den habe ich gemeinsam mit meinem Vater erlegt, in Simbabwe, im Jahr 2006. Wir waren tagelang auf der Jagd, bis wir endlich eine Gruppe Büffel entdeckten. Seit damals hängt er an der Wand. Es ist eine wunderbare, erhebende Erinnerung, und ich halte ihn in Ehren. 

Wie heißt er? Er ist eine Trophäe – und Trophäen haben keinen Namen.

Warum haben Sie nur den Schädel und nicht das ganze Tier? Mir gefallen ausgekochte Schädel einfach besser – und es ist hygienischer. Im Fell von Tieren nisten sich oft Milben ein und ich habe eine Hausstaubmilbenallergie.  

Wie reagieren andere? Manche sind irritiert, weil sie keinen Bezug zur Jagd haben, stellen kritische Fragen – aber das passt schon.

Würden Sie sich selbst nach Ihrem Tod ausstopfen lassen? Wenn ich bei jemandem im Wohnzimmer hängen würde, fände ich das eigentlich cool. Es wäre ja eine Ehre, wenn man den Premiumplatz über dem Sofa bekommt.

Sandra Jungmann und Laura Wurm

waren beeindruckt, wie viele Präparate ein einziger Mensch besitzen kann, selbst als Profi. Sie wissen jedenfalls jetzt, was Patricia Höller in ihrer Sammlung noch fehlt: ein Pinguin.

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